Dringend gesucht: Personal für die Energiewende

Reuters · Uhr

Berlin (Reuters) - Der Solar- und Windenergieanlagenbauer SL Naturenergie ist seit zwei Jahren vergeblich auf der Suche nach einem Projektentwickler.

Um mit dem Tempo der steigenden Auftragseingänge mithalten zu können, will das Unternehmen aus Gladbeck im Ruhrgebiet sein Personal auf 60 von zuvor 50 Angestellte aufstocken. Doch die Suche nach Arbeitskräften in einem Sektor, in dem alle Unternehmen ob klein oder groß um Mitarbeiter kämpfen, ist schwierig.

Bis 2030 sollen 80 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs von erneuerbaren Energien gedeckt werden. Das entspricht einer Verdopplung im Vergleich zu 2021. Bei der Umsetzung stellen Experten zufolge nicht Geld oder politische Vorhaben, sondern Arbeitskräfte die größte Herausforderung da.

Derzeit fehlen rund 216.000 Fachkräfte für den Ausbau aller geplanten Solar- und Windenergieanlagen, wie aus einer Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) hervorgeht. "Nicht die Aufträge, sondern der Arbeitskräftemangel ist das Problem", sagt ein Sprecher des Berliner Solarunternehmens Enpal. Im vergangenen Jahr eröffnete Enpal ein eigenes Schulungszentrum im Süden von Berlin. Dort bekommen Interessierte eine zweiwöchige Ausbildung zur Installation von Solarmodulen für Privathaushalte, bevor sie gemeinsam mit erfahrenen Installateuren ins Feld ziehen. Mittlerweile habe das Unternehmen mehr als 1000 Personen ausgebildet. Für die kommenden sechs Monaten seien die Schulungen ausgebucht.

GRÜN UND GUT BEZAHLT

Auch die Bundesregierung versucht, die Ausbildung von neuen Arbeitskräften in dem Sektor voranzubringen. So fördert das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ab diesem Monat die Qualifizierung zusätzlicher Fachkräfte für die Beratung, die Planung, den Einbau und die Einregulierung von Wärmepumpen, wie es auf der Website heißt. Die Zuschüsse betragen maximal 90 Prozent der Ausgaben und höchstens 5000 Euro.

Auf Unternehmensseite sollen vor allem attraktive Gehälter einen Einstieg in die Branche befeuern. Wegen des Personalmangels seien die Löhne in der Regel höher, sagt Markus Janser, Wissenschaftler am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. "Die Vorstellung, dass grüne Arbeitsplätze nicht gut bezahlt werden, ist ein Mythos." In vielen Berufen im Bereich der erneuerbaren Energien liege die Bezahlung über dem Durchschnitt. Zudem könnten Mitarbeitende mit einem Lohnaufschlag von mehr als zehn Prozent rechnen, sobald Bau- oder Installationsleistungen vorgenommen würden.

Das im vergangenen Monat angekündigte Fachkräfte-Gesetz der Bundesregierung soll außerdem Arbeitswillige aus anderen Ländern nach Deutschland locken. Ein nach wie vor langwieriges bürokratisches Visumsverfahren und der Wettbewerb mit anderen europäischen Ländern stellten dennoch deutliche Hürden dar, sagt Lydia Malin, Forscherin am Institut der deutschen Wirtschaft. Mit Blick auf das Vorhaben der Bundesregierung - Deutschlands Stromverbrauchs bis 2030 zu 80 Prozent mit erneuerbaren Energien zu decken - äußert sie sich skeptisch. "Es ist ein großes Fragezeichen", sagt sie. "Aber ich will nicht sagen, dass es unmöglich ist."

(Bericht von Maria Martinez und Riham Alkousaa, geschrieben von Nette Nöstlinger, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

onvista Premium-Artikel