Inflationswelle im Euroraum wird allmählich schwächer

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- von Frank Siebelt und Rene Wagner

Frankfurt (Reuters) - Die Inflation schwächt sich im Euroraum dank sinkender Energiepreise mehr und mehr ab.

Die Verbraucherpreise nahmen im Juni binnen Jahresfrist nur noch um 5,5 Prozent zu, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag mitteilte. Im Mai hatte die Teuerung noch bei 6,1 Prozent gelegen, nach 7,0 Prozent im April. Für die EZB, die den Preisschub seit Sommer 2022 mit einer beispiellosen Serie von Zinserhöhungen bekämpft, ist das erfreulich. Doch die Inflationswelle ist noch nicht gebrochen. Denn die Kernrate, in der die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise sowie Alkohol und Tabak außen vor bleiben, stieg im Juni an auf 5,4 Prozent von 5,3 Prozent im Mai. Diese gilt als wichtige Messgröße für die zugrundeliegenden Inflationstrends.

"Die Teuerung verliert weiter an Kraft", kommentierte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib die Daten. "Der Spielverderber ist aber die Kerninflation, die hartnäckig auf deutlich zu hohem Niveau seitwärts tendiert." Ein weiterer Zinsschritt der EZB im Juli sei trotz der sich zuletzt eintrübenden konjunkturellen Stimmungsindikatoren und einer stagnierenden Kreditvergabe eine ausgemachte Sache. Auch Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, erwartet, dass die Kernrate in der 20-Ländergemeinschaft vorerst hoch bleiben wird. "Der EZB ist dies ein Dorn im Auge", sagte er.

INFLATION IMMER NOCH KLAR ÜBER DER EZB-ZIELMARKE

Auch mit den neuen Inflationsdaten ist die Teuerung immer noch mehr als doppelt so hoch wie die Zielmarke der EZB von zwei Prozent, die sie als optimales Niveau für die Wirtschaft erachtet. Sie hat die Zinsen bereits acht Mal in Folge erhöht. Der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz liegt mittlerweile bei 3,50 Prozent - das höchste Niveau seit 22 Jahren. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat für den Juli bereits den nächsten Schritt nach oben in Aussicht gestellt. Erwartet wird am Finanzmarkt eine Anhebung wie im Juni um einen viertel Prozentpunkt.

Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil glaubt, dass der Juli-Schritt womöglich vorerst der letzte sein wird. "Anders als der Markt gehen wir davon aus, dass die EZB nach der quasi angekündigten Leitzinsanhebung im Juli um 25 Basispunkte die Zinsen nicht weiter erhöhen wird." An den Börsen wurde zuletzt erwartet, dass der Zinsgipfel dieses Jahr bei einem Einlagensatz von 4,0 Prozent erreicht wird. Zinssenkungen sind aus Sicht von Experten erst einmal kein Thema. "In den Zentralbanketagen wird allenfalls darüber diskutiert, ob man die Zinsen noch weiter anheben muss, um der Inflation Herr zu werden, oder ob es ausreicht, sie für längere Zeit auf ihrem jetzigen hohen Niveau zu belassen", meint Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank.

EZB-Präsidentin Lagarde jedenfalls sieht die Notenbank noch nicht am Ziel. Es sei unwahrscheinlich, dass die Euro-Wächter in naher Zukunft mit absoluter Überzeugung erklären könnten, dass die Leitzinsen ihren Höchststand erreicht haben, sagte sie diese Woche auf dem EZB-Forum im portugiesischen Sintra. Die EZB habe nur ein Ziel, eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum Zwei-Prozent-Ziel der EZB zu erreichen. "Und wir sind entschlossen, dieses Ziel zu erreichen, komme was da wolle," sagte sie.

Hinter dem Rückgang des Preisschubs im Juni stehen insbesondere die Energiepreise. Diese gingen im Juni binnen Jahresfrist kräftig um 5,6 Prozent zurück nach einem Rückgang von 1,8 Prozent im Mai. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak zogen dagegen um 11,7 Prozent an, nach einem Plus von 12,5 Prozent im Mai. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich um 5,5 Prozent nach zuvor 5,8 Prozent. Die Preise für Dienstleistungen erhöhten sich um 5,4 Prozent, nach 5,0 Prozent im Mai.

DATEN VARIIEREN ERHEBLICH ZWISCHEN DEN LÄNDERN

Insidern zufolge setzen Währungshüter derzeit die Messlatte für ein Ende der Zinsanhebungen hoch an. In Ländern wie Portugal und Italien nehmen derweil die kritischen Stimmen zu. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni übte diese Woche öffentlich Kritik am Kurs der EZB. Die Notenbank befindet sich in keiner einfachen Lage. Denn sie muss bei ihrem Kurs auch darauf achten, dass sie die Wirtschaft nicht abwürgt. In Deutschland, der größten Volkswirtschaft im Euroraum, hat sich die Stimmung zuletzt deutlich eingetrübt. Das Ifo-Geschäftsklima sank von Mai auf Juni überraschend kräftig um 3,0 auf 88,5 Punkte - der tiefste Stand seit November 2022.

Aus den einzelnen Ländern fielen die Inflationsdaten im Juni höchst unterschiedlich aus. In Deutschland nahm die Teuerung nach europäischer Messung im Juni auf 6,8 Prozent zu nach 6,3 Prozent im Mai. Dagegen sank in Spanien die Rate sogar unter die EZB-Zielmarke auf 1,6 Prozent nach 2,9 Prozent im Mai. Dagegen blieb sie in der Slowakei mit 11,3 Prozent sogar zweistellig.

(Bericht von Frank Siebelt, Rene Wagner; redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen enden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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