EU will Regeln für Gentechnik in der Landwirtschaft lockern

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Frankfurt/Brüssel (Reuters) - Die Europäische Kommission will den Weg für bestimmte gentechnisch veränderte Pflanzen in der Landwirtschaft freimachen.

Für Pflanzen, die durch neue Methoden der Gentechnik gezüchtet wurden, sollen die Vorschriften künftig deutlich gelockert werden, wie aus einem am Mittwoch vorgestellten Gesetzentwurf hervorgeht. Die neuen Techniken ermöglichten die Entwicklung verbesserter Pflanzensorten, die klima- und schädlingsresistent seien, weniger Düngemittel und Pestizide benötigten und höhere Erträge gewährleisten könnten, erklärte die Kommission. Für die ökologische Landwirtschaft soll weiterhin ein komplettes Verbot jeglicher Gentechnik gelten.

Zu den neuen Züchtungstechniken zählen Verfahren der Geneditierung wie die Genschere Crispr/Cas, mit denen präzise Eingriffe am Erbut möglich sind. Von der klassischen Gentechnik unterscheiden sie sich dadurch, dass keine fremden Gene in die Pflanze eingeschleust werden. Bisher wurden beide Wege gleich streng reguliert, da es die neuen Techniken 2001, als die EU-Rechtsvorschriften über gentechnisch veränderte Organismen (GVO) erlassen wurden, noch nicht gab.

Die Kommission will künftig zwei Kategorien von Pflanzen schaffen, die durch neue gentechnische Methoden (NGT) gewonnen werden. In die erste Kategorie sollen Pflanzen fallen, die gleichwertig zu konventionellen gezüchteten Pflanzen sind und der gleichen Regulierung wie diese unterliegen sollen. Unter die zweite Kategorie fallen NGT-Pflanzen mit komplexeren Veränderungen, die nicht äquivalent zu konventionellen sind und als Gentechnik-Produkte gekennzeichnet werden. Für sie würden die Anforderungen der geltenden GVO-Vorschriften gelten.

Der Vorschlag betrifft nur Pflanzen, die durch gezielte Mutagenese und durch Cisgenese erzeugt wurden, sowie ihre Lebens- und Futtermittelerzeugnisse. Bei der gezielten Mutagenese werden Veränderungen am Erbgut ohne das Einfügen genetischen Materials ausgelöst, durch Cisgenese werden genetische Veränderungen durch Einfügen genetischen Materials von sexuell kompatiblen Organismen erzeugt. Die Transgenese, bei der Gene von artfremden Organismen eingefügt werden, ist von dem Gesetzentwurf ausdrücklich ausgenommen. Dieser muss noch vom Europäischen Parlament und den EU-Regierungen gebilligt werden.

Der Deutsche Bauernverband bewertete den Vorschlag als "überwiegend positiv", er trage der technischen Entwicklung Rechnung. Auch die Rückverfolgbarkeit der so gezüchteten Pflanzen sei in dem Entwurf ausreichend geregelt. Das Bundesamt für Naturschutz äußerte sich dagegen kritisch. Die Anwendung von NGT könne etwa zu unbeabsichtigten genomischen Veränderungen führen. "Das Einfügen neuer Eigenschaften in eine Pflanze birgt immer das potenzielle Risiko, zu negativen Auswirkungen auf Ökosysteme und die biologische Vielfalt zu führen." Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, Martin Häusling, befürchtet, dass Großkonzerne an Einfluss gewinnen: "Denn sie können die nicht gekennzeichneten - aber patentierten - Produkte verwenden und damit ihre Kontrolle über unsere Lebensmittelproduktion weiter ausbauen."

Der Leverkusener Bayer-Konzern, weltweit der größte Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln, sprach dagegen von einer wegweisenden Entscheidung. "Normalerweise dauert es bei der Pflanzenzüchtung über ein Jahrzehnt von den ersten positiven Forschungsergebnissen bis zum Markteintritt. Die Geneditierung ermöglicht es uns, fünf Jahre aus diesem Prozess rauszunehmen, dadurch können wir viel schneller züchten", sagte Cheflobbyist Matthias Berninger zu Reuters. "Wenn die EU den Weg frei macht für diese neue Technologie, wird die Einführung auch weltweit beschleunigt werden. Dann erhoffen wir uns dadurch auch größere Märkte."

(Bericht von Patricia Weiß und Philip Blenkinsop in Brüssel, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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