Regierung billigt CO2-Deponien und beschleunigt Wasserstoff-Hochlauf

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- von Markus Wacket

Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung hat die umstrittene unterirdische Speicherung von Kohlendioxid (CO2) in Deutschland gebilligt.

Das Kabinett beschloss Regierungskreisen zufolge dafür am Mittwoch ein CO2-Speichergesetz. Wirtschaftsminister Robert Habeck will damit besonders der Zement-, Stahl- oder Chemieindustrie den Weg in eine klimafreundlichere Produktion erleichtern. Derzeit ist die unterirdische Speicherung verboten. Das neue Gesetz soll auch für Erdgas-Kraftwerke gelten, obwohl Windräder oder Solaranlagen bereits etablierte Alternativen für die Stromerzeugung sind. Kohlemeiler bleiben allerdings ausgeschlossen.

Gelagert werden soll das CO2 vor allem unter der Nordsee. Die Bundesländer können aber mit eigenem Gesetz auch beschließen, dies auf ihrem Gebiet zuzulassen. Parallel beschloss das Kabinett einen beschleunigten Aufbau der Wasserstoff-Produktion und -Leitungen, um damit ebenfalls der Industrie bei der Transformation zu helfen.

Die CO2-Speicherung, auch CCS (Carbon Capture and Storage) genannt, ist in Deutschland seit langem umstritten. Zum einen wegen Sicherheitsbedenken, zum anderen fürchten Klimaschützer dass erneuerbare Energien und saubere Technologien langsamer ausgebaut werden, wenn das CO2 in großem Stil unter der Erde gelagert werden darf. Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein, also unterm Strich praktisch keine Klimagase mehr in die Luft blasen.

Habeck hatte vor allem mit Blick auf die Industrie für CCS geworben. Rohstahl- oder Zement-Produktion sind rein technisch kaum oder gar nicht mit grünem Strom oder Wasserstoff möglich. Die bei den derzeitigen Verfahren unvermeidbaren CO2-Emissionen könnten so aufgefangen werden. "Ohne CCS können wir unsere Klimaziele unmöglich erreichen", sagte der Grünen-Politiker. "Es ist besser, dass das CO2 sicher im Boden ist als in der Atmosphäre." Industriebetriebe könnten in bestimmten Fälle auch auf eine Förderung der CCS-Technik hoffen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach von einem wichtigen Schritt in die richtige Richtung.

UMWELTHILFE: INDUSTRIALISIERUNG DER NORDSEE

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warnte dagegen vor einer Industrialisierung der Nordsee - auch wenn in Meeresschutzgebieten nicht gespeichert werden darf. "Statt der fossilen Industrie den roten Teppich auszurollen, müssen enge Grenzen gesetzt werden", sagte Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Das gelte besonders für Gaskraftwerke. Auch der WWF und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sehen das Vorhaben kritisch: "Heute knallen die Korken bei Shell, Exxon, Wintershall DEA, Equinor und Co", sagte der BUND-Bundesvorsitzende Olaf Bandt. So könnten Erdöl und Erdgas noch weit über 2045 verbrannt werden.

WIDERSPRUCH ZU FRAKTIONSBESCHLÜSSEN VON SPD UND GRÜNEN

SPD-Energieexpertin Nina Scheer kritisierte die Einbeziehung der Erdgas-Kraftwerke. Das schaffe Nachteile für erneuerbare Energie, denn dabei gehe es nicht wie in der Koalition vereinbart um unvermeidbare Rest-Emissionen. "Diese Eingrenzung wird nun mit dem Gesetzentwurf überschritten und ist dahingehend weder mit dem Koalitionsvertrag noch mit der klaren Positionierung der SPD-Bundestagsfraktion vereinbar", sagte sie. Grünen-Expertin Lisa Badum erklärte auf Twitter, CCS könne für Teile der Industrie sinnvoll sein, sollte aber auf unvermeidbare Emissionen beschränkt bleiben. Im Grünen-Fraktionsbeschluss vom Dezember hieß es: "Die Energiewirtschaft sehen wir nicht als Anwendungsbereich."

Die Regierung geht davon aus, dass das CO2 hauptsächlich im deutschen Hoheitsgebiet unter der Nordsee gelagert oder ins Ausland transportiert wird. Norwegen oder die Niederlande haben die CCS-Technik unter der Nordsee bereits intensiv erprobt und wollen große Mengen als neues Geschäftsmodell aufnehmen. Für den Transport muss Deutschland noch ein internationales Abkommen unterzeichnen (London-Protokoll). Neben Speichern müssen auch Transportleitungen für CO2 gebaut werden. Auch dafür schafft das Gesetz den Rahmen.

Parallel treibt die Regierung den Ausbau von Wasserstoff-Anlagen voran. Das Kabinett beschloss auch ein Gesetz, mit dem Wasserstoff-Speicher, -Leitungen und Produktionsanlagen (Elektrolyseure) beschleunigt gebaut werden können. Dem Ausbau wird ein "überragendes öffentliches Interesse" zugewiesen, wie es etwa bei den Flüssiggas-Terminals der Fall ist. Bei Klagen soll der Rechtsweg verkürzt und Umweltverträglichkeitsprüfungen sollen etwa bei kleineren Elektrolyseuren - also Wasserstoff-Produzenten - abgespeckt werden.

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