Bayer? Fresenius? Henkel? Welche Turnaround-Story wirklich spannend ist

Aktienwelt360 · Uhr

Die drei DAX-Konzerne Bayer (WKN: BAY001), Fresenius (WKN: 578560) und Henkel (WKN: 604843) haben ihren Aktionären in den letzten Jahren wenig Freude bereitet. Bei allen drei Unternehmen notiert der Aktienkurs heute tiefer als zehn Jahre zuvor (Stand aller Angaben: 07.06.2024). Diese enttäuschende Kursentwicklung kommt nicht von ungefähr, sondern ist das Ergebnis einer jeweils schwachen Unternehmensentwicklung. So soll es nicht weitergehen. Die Konzerne haben jeweils Maßnahmen ergriffen und arbeiten am operativen Turnaround, der sich auch auf die Aktien auswirken sollte. Wir schauen uns die Pläne genauer an und beantworten die Frage, welche Turnaround-Story wirklich spannend ist.

Der neue CEO von Bayer hat einen Plan

Die Probleme von Bayer hängen eng mit der im Jahr 2018 abgeschlossenen Übernahme des Glyphosat-Herstellers Monsanto zusammen. Mit einem Kaufpreis von 63 Mrd. US-Dollar ist dies die teuerste Übernahme, die sich ein deutscher Konzern je geleistet hat – und sie ging gehörig in die Hose. Denn unzählige Klagen im Zusammenhang mit Glyphosat haben Bayer schon Milliarden gekostet, ein Ende ist immer noch nicht abzusehen. Zudem ist Bilanz seit der Übernahme voll mit Schulden beladen (Ende 2023 lag die Netto-Verschuldung bei 34,5 Mrd. Euro), die nun in Zeiten gestiegener Zinsen ordentlich Geld kosten (1,3 Mrd. Euro Zinsaufwand in 2023). Auch operativ hat sich die Übernahme bisher nicht ausgezahlt. In 2023 waren Gewinn und Free Cashflow niedriger als fünf Jahre zuvor.

Was also tun? Der seit einem Jahr amtierende neue CEO Bill Anderson hat einen Plan. Das Pharmageschäft soll durch die Entwicklung neuer Medikamente wieder Fahrt aufnehmen, die Glyphosat-Prozesse in den USA sollen auch durch intensivere Zusammenarbeit mit der Politik besser laufen, Führungsebenen sollen gestrichen und damit die Bürokratie und Kosten reduziert werden und schließlich soll so und durch die Kürzung der Dividende auch der immense Schuldenberg gesenkt werden. Eine immer häufiger geforderte Aufspaltung des Konzerns soll es vorerst nicht geben.

Das klingt in meinen Augen alles vernünftig. Aber in großen Teilen auch wenig konkret. Im ersten Quartal 2024 sanken Umsatz und Gewinn je Aktie erst einmal weiter. Ob der Life-Science-Konzern mit seiner geringen finanziellen Flexibilität und hohen Bürokratie einen Turnaround schaffen kann, steht für mich noch in den Sternen.

Fresenius kommt beim Turnaround voran

Der Gesundheitskonzern Fresenius scheint mir bei seinem operativen Turnaround schon einen Schritt weiter zu sein. Der seit Oktober 2022 amtierende CEO Michael Sen versucht das aufgrund einer Reihe von Übernahmen schuldenbeladene Unternehmen (Ende 2023 lag die Netto-Verschuldung bei 13,3 Mrd. Euro) auf einen Wachstumspfad zurückzuführen. Dazu konzentriert er sich auf die beiden vergleichsweise gut laufenden Segmente Helios (Betrieb von Krankenhäusern) und Kabi (Verkauf von Infusionslösungen, klinischer Ernährung und Biosimilars). Andere, schwächelnde Bereiche sollten abgespalten und als Finanzbeteiligung gehalten werden.

Auf diesem Weg konnte Fresenius schon erste Erfolge erzielen. So wurde Fresenius Medical Care (Dialyselösungen) Ende 2023 dekonsolidiert und wird nun als Finanzbeteiligung gehalten. Der Verkauf des Großteils des Vamed-Geschäfts (Dienstleistungen für Gesundheitseinrichtungen) wurde im Mai 2024 verkündet, ein kleinerer Teil wird im Konzern neu organisiert und der Rest zurückgefahren. Darüber hinaus wurde ein Effizienzprogramm aufgesetzt und die zuvor stetig gesteigerte Dividende komplett gestrichen. Währenddessen wuchs der Umsatz der beiden operativen Bereiche Helios und Kabi in 2023 mit 5 % (Helios) und 7 % (Kabi). Im Jahr 2024 soll das Wachstum ähnlich hoch ausfallen.

Mit der nun geringeren Komplexität sowie einer klaren Strategie sehe ich Fresenius gut aufgestellt, um den operativen Turnaround schaffen zu können und die hohe Verschuldung langsam abzubauen.

Das Wachstum bei Henkel zieht an

Wenn ich an Henkel denke, denke ich zuerst an Waschmittel (Persil, Somat, …) und Pflegeprodukte (Schwarzkopf, Fa, …). Genau diese bisher separat gemanagten Bereiche schwächelten in den letzten Jahren und wurden daher unter dem im Jahr 2020 angetretenen CEO Carsten Knobel zusammengelegt. In dem neu geschaffenen Segment Consumer Brands wurden so bereits Kosteneinsparungen von rund 250 Mio. Euro umgesetzt, während das breite Marken-Portfolio stärker auf attraktive Bereiche ausgerichtet wird. Kleinere, wenig margenstarke Marken wie Right Guard und Dry Idea wurden verkauft, neue Marken wie die chinesische Premium-Marke Vidal Sassoon übernommen (Henkel hat diese im Februar 2024 Procter & Gamble abgekauft).

So soll der organische Umsatz in den neuen Unternehmensbereich mittel- bis langfristig um 3 bis 4 % p.a. steigen und gleichzeitig die Profitabilität gesteigert werden. Im ersten Quartal 2024 wurde dieses Ziel sogar übertroffen – der organische Umsatz stieg um 5 %. Auch im zweiten Segment, dem Verkauf von Klebstoffen, zog der organische Umsatz an (+1 %). 50 % der Konzern-Umsätze werden mit Klebstoffen, Dichtstoffen und Beschichtungen gemacht, die zum Beispiel bei der Fertigung von Autos, Mobiltelefonen und Textilien eingesetzt werden. Dieses eher zyklische und margenstärkere Geschäft soll mittelfristig mit 3 bis 5 % im Jahr wachsen.

Ich traue Henkel zu, diese Ziele weiterhin zu erreichen. Denn die Nachfrage nach den Spezialklebstoffen dürfte weiter steigen, Henkel als globaler Marktführer profitieren. Und auch der Bereich Consumer Brands scheint mir nach der Restrukturierung wieder in der Spur, um solide Wachstumsraten zu erzielen.

Mein Turnaround-Favorit

Dennoch finde ich die Turnaround-Story bei Henkel nicht so attraktiv. Denn das KGV liegt bei 27, bezogen auf den bereinigten Gewinn bei 19. Gemessen an den prognostizierten Wachstumsraten und dem andauernden Turnaround finde ich das nicht günstig.

Bei Bayer gibt es gar kein KGV, denn der Gewinn war in 2023 auch aufgrund der hohen Glyphosat-Schadenzahlungen negativ. Bereinigt man den Gewinn um alle Sonderfaktoren kommt man auf ein optisch günstiges KGV von 4. Doch da die Glyphosat-Prozesse anhalten erscheint mir dies wenig sinnvoll. Zudem scheint mir der Turnaround bei Bayer am unsichersten.

Mein Favorit der drei Turnaround-Storys ist also Fresenius. Mir gefällt die Ausrichtung auf die beiden Kernbereiche, denen ich Wachstumsraten von über 5 % p.a. zutraue. Gemessen daran finde ich das KGV von 11 günstig.

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Hendrik Vanheiden besitzt Aktien von Fresenius und Procter & Gamble.

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