Kolumne von Andreas Lipkow

Indien ist eine Alternative zu China - auch für Anleger

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Nach der Wahl, bei der Premierminister Narendra Modi erstaunlich schwach abschnitt, gab der indische Aktienmarkt deutlich nach. Langfristig aber überwiegen die Chancen in Indien. Auch weil das Land von der Konfrontation Chinas mit dem Westen profitieren kann.

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Mit fast einer Milliarden Wahlberechtigten war die Parlamentswahl in Indien die größte der Welt. Jetzt stehen die Ergebnisse fest: Der regierende Premierminister Narendra Modi und seine Partei bjp bleiben zwar die stärkste Kraft im bevölkerungsreichsten Land der Erde. Allerdings musste Modi deutliche Einbußen hinnehmen und schnitt viel schlechter ab als erwartet. An der Börse sorgte der Ausgang der Wahl für einen Absturz; der indische Aktienmarkt erlitt seinen größten Crash seit dem Jahr 2020.

Doch jenseits dieser politischen Aktualität lohnt ein zweiter, langfristigerer Blick. Denn die indische Wirtschaft wächst weiter solide und die abkühlende Weltkonjunktur und ein abnehmender Konsum haben bisher kaum Bremsspuren hinterlassen. Das Land besitzt das Potenzial, in den kommenden drei Jahren auf den dritten Platz hinter Amerika und China vorzustoßen. 

Insbesondere der hohe Grad an Technologisierung und Digitalisierung haben dem Land eine starke Wachstumsdynamik verliehen. In den vergangenen zehn Jahren hat der Staat massiv in Infrastrukturprogrammen investiert und so eine ideale Struktur für Wachstum und Wohlstand erschaffen. Über 1,4 Milliarden Menschen leben in Indien und die für die Konjunktur wichtige Mittelschicht bildet sich von Jahr zu Jahr weiter aus.

Die Volkswirtschaft in Indien ist sehr stark von einem rasant wachsenden Dienstleistungssektor geprägt. Mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Indiens werden von dieser wichtigen Wirtschaftsstütze erzeugt. Dabei stellen sich die USA zunehmend als wichtiger Handelspartner und Arbeitgeber heraus.

Zugleich prägt das Land ein hoher Anteil an agrarwirtschaftlichen Aktivitäten und daraus resultiert ein Armutsanteil von circa fünf Prozent der Bevölkerung. Die Regierung versucht dieser Situation durch ein modernisiertes Wohlfahrtssystem entgegenzutreten. So konnte in den vergangenen 13 Jahren der Armutsanteil von elf Prozent mehr als halbiert werden. 

Die Mittelschicht Indiens wächst rasant

Die aktuelle Regierung um den Staatschef Modi hat Reformen in dem Land weiter vorangetrieben. Kooperationen mit wichtigen internationalen Großkonzernen brachten gut bezahlte Jobs. Es zeichnet sich eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte für die kommenden fünf Jahre ab. Nach aktuellen Schätzungen könnten so in den kommenden drei Jahren mehr als 100 Millionen Inder ein Einkommen von über 10.000 Dollar pro Jahr bekommen. Dadurch würden ein sehr starker Binnenmarkt entstehen.   

Dennoch gibt es auch eine gewaltige Schattenseite dieses bisherigen Wirtschaftswunders. Lediglich 100 Millionen Inder haben einen hochwertigen Arbeitsplatz. Die anderen 1,3 Milliarden stecken in Gelegenheitsjobs oder niedrigen Aushilfsstellen. Das stellt eine große Herausforderung dar, die nur durch eine bessere Ausbildung der Menschen und Zunahme der hochwertigen Stellen in den Unternehmen beseitigt werden kann. 

Dies kann aber nur im Gleichklang der politischen Kräfte in Indien gelingen. Bisher war das ein Problem. Denn die Regierungspartei Modis, die Bharatiya Janata Party (bjp), lag oft im Clinch mit den Oppositionsparteien. Wichtige Weichenstellungen für die wirtschaftliche Entwicklung Indiens sind daher noch nicht gestellt worden. Das erklärt auch, warum der indische Aktienmarkt zuletzt sensibel auf das Wahlergebnis reagiert hat. Mit Modis deutlich gestutzter Macht könnten sich Entscheidungen noch weiter verzögern.

Die Probleme liegen auch innerhalb der bjp. Es fehlt an weiteren starken Persönlichkeiten neben Modi in der Regierungspartei und somit an potentiellen Nachfolgern. Eine Situation, die speziell von ausländischen institutionellen Investoren genau beobachtet wird.  

Indien als Alternative für China - auch für Anleger

Insgesamt läßt sich jedoch attestieren, dass die Chancen für einen weiteren wirtschaftlichen Aufstieg Indiens vielversprechend sind. Gerade die Bestrebungen vieler westlicher Industrienationen, die Abhängigkeiten zu China erheblich zu reduzieren, spielt Indien in die Karten.

So hat sich das Land auf die Fahnen geschrieben, die neue Werkbank der Welt zu werden und zieht mit diesen Bestrebungen die großen Weltkonzerne, wie Microsoft, Renault, Toyota und Samsung an. Im Gegensatz zu China hat Indien noch viel aufzuholen und sehr großes Wachstumspotential. Das ergibt auch weiterhin Chancen für potentielle Aktieninvestoren. 

Der indische Aktienmarkt wird von den beiden Börsen der Bombay Stock Exchange (BSE) und der National Stock Exchange (NSE) bestimmt. Die BSE wurde 1875 gegründet und ist die älteste Börse in Asien. Die NSE wurde dagegen erst 1992 gegründet und ist derzeit der größte Finanzplatz des Landes.

Wie Anleger in Indien investieren können

Der indische Aktienmarkt besteht aus mehr als 5.000 Unternehmen, die an den beiden Börsenplätzen notiert sind. Der Finanzmarkt ist in verschiedene Sektoren unterteilt, darunter Finanzen, IT, Energie, Konsumgüter und Gesundheitswesen. Einige der bekanntesten Unternehmen, die an den Aktienmärkten notiert sind, sind auch in Deutschland bekannt: Tata Consultancy Services, HDFC Bank, Infosys, Reliance Industries und ICICI Bank sind nur einige. 

Es gibt viele Möglichkeiten, in indische Aktien zu investieren. Neben den bereits genannten Direktinvestitionen in Aktien der indischen Gesellschaften können Anlegerinnen und Anleger natürlich auch auf Aktienfonds und ETFs zurückgreifen. Speziell Fonds und ETFs in indische Aktien bieten die Möglichkeit, diversifizierte und proaktiv gemanagte Investments zu tätigen.

Die Direktanlagen in indische Aktien bietet sich nur für fortgeschrittene Investoren an und setzt eine Geschäftsverbindung zu einer indischen Bank oder einem indischen Broker voraus. Originalaktien von indischen Unternehmen werden an den deutschen Handelsplätzen nicht gehandelt. Einige indische Unternehmen können über GDR- (für "Global Depositary Rezept") oder ADR ("American Depositary Receipt")-Programme an deutschen Handelsplätzen geordert werden.  

Aber: Auch bei Aktieninvestitionen in indischen Unternehmen besteht das Risiko, dass Unternehmen operativ schlechte Ergebnisse präsentieren oder Insolvenz anmelden und sich das auf die Aktienkurse der Unternehmen negativ auswirkt. Zudem wirken Wechselkursrisiken bei indischen Aktien auf die Gesamtwertentwicklung von Euro-Anlegern ein - ein Risiko, das man bei Investments immer mit bedenken muss.

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