Frankreich unter Druck - Anleihe-Risikoprämie hoch wie seit Eurokrise nicht mehr

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London/Paris (Reuters) - Vor der womöglich mit einem Rechtsruck verbundenen Parlamentswahl in Frankreich gerät das Land am Kapitalmarkt verstärkt in den Fokus.

Die Risikoprämie für französische Staatsanleihen stieg am Freitag im Vorfeld der ersten Runde der Parlamentswahlen am Sonntag auf den höchsten Stand seit der Eurokrise 2012. Die Renditespanne zwischen den als Benchmark für die Euro-Zone geltenden deutschen Bundesanleihen und den französischen Papieren mit zehnjähriger Laufzeit erreichte 84 Basispunkte und damit den höchsten Wert seit September 2012.

Die Spanne hatte sich bereits Anfang des Monats deutlich ausgeweitet, nachdem Präsident Emmanuel Macron vorgezogene Parlamentswahlen ausgerufen hatte. Meinungsumfragen deuten darauf hin, dass die extreme Rechte die meisten Sitze gewinnen wird. Der Linksblock dürfte voraussichtlich auf dem zweiten Platz landen, während Macrons zentristisches Lager abgeschlagen auf Platz drei folgen dürfte.

Die erste Wahlrunde läuft am Sonntag. Das endgültige Ergebnis wird jedoch erst nach einer Stichwahl am 7. Juli feststehen. Das Ergebnis ist schwer vorherzusagen, da es weitgehend davon abhängt, inwieweit sich die Rivalen der rechtsextremen Partei Rassemblement National zusammenschließen und ihre eigenen Stichwahlkandidaten zurückziehen, um der extremen Rechten Paroli bieten zu können.

Einige Beobachter halten die Marktentwicklungen im Vorfeld der Wahl für etwas überzogen: "Diese Nervosität wegen der französischen Wahl ist ehrlich gesagt übertrieben", sagte Piet Haines Christiansen, Chefstratege für festverzinsliche Wertpapiere bei der Danske Bank. Der Pariser Börsenbetreiber Euronext hat bereits vor Turbulenzen an den Finanzmärkten im Falle eines Sieges extremer Parteien gewarnt. Der französische Leitindex CAC40 ist in den vergangenen drei Handelswochen um mehr als sechs Prozent eingebrochen.

Eine Krise droht nach Einschätzung von Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen aber wohl allenfalls bei einem – eher unwahrscheinlichen – Sieg des Linksbündnisses. Seiner Ansicht nach würde der Staatshaushalt bei einer Umsetzung von deren zahlreichen Wahlversprechen noch mehr in Schieflage geraten: "Bei einer Mehrheit für die Rechtspopulisten drohen Konflikte auf der EU-Ebene, aber wohl kaum eine Schuldenkrise."

(Bericht von Alun John, Tassilo Hummel, Mitarbeit Daniela Pegna, geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)