Neues BFH-Urteil

Gesetzgebung verfassungswidrig: CFD- und Futures-Händler dürfen aufatmen

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Das oberste deutsche Finanzgericht hat entschieden, dass die eingeschränkte steuerliche Anrechnung von Verlusten aus Termingeschäften verfassungswidrig ist. Dieses Urteil könnte weitreichende Konsequenzen haben.

Quelle: Alexey Fedorenko/Shutterstock.com

Mit dem Jahressteuergesetz 2020 wurde die steuerliche Berücksichtigung bestimmter Verluste, darunter Verluste aus Termingeschäften, deutlich eingeschränkt. Zu den Termingeschäften zählen unter anderem Optionsgeschäfte, Futures sowie Differenzkontrakte ("Contracts for Difference"; kurz CFDs). Seit Anfang 2021 dürfen solche Verluste nur noch bis zu einem Betrag von 20.000 Euro pro Jahr steuerlich verrechnet werden. Verluste, die diesen Betrag überschreiten, können erst in den Folgejahren verrechnet werden – und dies auch nur mit gleichartigen Gewinnen, also ebenfalls aus Termingeschäften.

"Binding-Steuer" sorgt für Rückgang beim CFD-Handel

Diese Gesetzgebung - nach dem damaligen Obmann der SPD im Finanzausschuss Lothar Binding auch als "Binding-Steuer" benannt - machte professionellen Futures- oder CFD-Handel für Privatanleger in Deutschland in den vergangenen Jahren nahezu unmöglich und wurde von Branchenexperten mit Fassungslosigkeit und Kopfschütteln quittiert. Der Handel mit CFD brach in den vergangenen Jahren daraufhin regelrecht ein.

Detaillierte Studien des CFD-Verbandes zeigen den massiven Rückgang bei den Handelsvolumina.

Klage erfolgreich

Viele Händler haben Steuernachforderungen im fünfstelligen Bereich erhalten. Dagegen hatte ein CFD-Händler in Rheinland-Pfalz geklagt und eine Aussetzung der Vollziehung seines Steuerbescheids beantragt. Der Trader erzielte 2021 durch CFDs Gewinne von circa 250.000 Euro und Verluste von circa 229.000 Euro und einen Nettogewinn von circa 23.000 Euro. Nach Verrechnung anderer Verluste des Traders und seiner Ehefrau blieb ein zu versteuernder Gewinn von knapp 214.000 Euro (Details: Hier). Dafür sollte er über 52.000 Euro Abgeltungsteuer zahlen, obwohl sein wirtschaftlicher Gewinn bei voller Verrechnung der Verluste aus den Termingeschäften nur rund 23.000 Euro betrug.

"Binding-Steuer" verfassungswidrig

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz gab dem Trader Recht, woraufhin das Finanzamt Beschwerde einlegte. Diese Beschwerde wurde im jüngsten Urteil des Bundesfinanzhofes nun als unbegründet zurückgewiesen. Es ist zwar aktuell nur ein vorläufiges Rechtsverfahren. Doch durch das aktuell veröffentlichte Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) dürfen CFD- und Futures-Händler in Deutschland nun wieder berechtigte Hoffnung haben, dass die "Bindig-Steuer" demnächst aufgehoben wird: Der BFH hat erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der beschränkten steuerlichen Anrechnung von Verlusten aus Termingeschäften geäußert. Alle Details hier.

Laut dem BFH verstößt die "Binding-Steuer" gegen das Grundgesetz und ist somit verfassungswidrig.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln und bindet den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der es erfordert, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten.  

Abschreckungscharakter nicht gegeben

Ein Argument der Befürworter der "Binding-Steuer" war ein "Abschreckungscharakter" zum Schutz von Privatanlegern. Auch diesen sieht das BFH als nicht gegeben. Als Folge des BFH-Urteils dürfte die Bundesregierung die verfassungswidrige "Binding-Steuer" zeitnah zurück nehmen.

Auch ein etwaiger Abschreckungscharakter für die Durchführung von Termingeschäften, den die Regelung in § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG aufgrund der dargelegten gravierenden Folgen für den Steuerpflichtigen bei einem hohen Verlust beinhaltet, stellt aus der Sicht des Senats keinen tragfähigen Rechtfertigungsgrund dar. Entgegen der Annahme in der Gesetzesbegründung (BTDrucks 19/15876, S. 61) sind Termingeschäfte im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht in jedem Fall hochspekulative Anlagen, sondern dienen regelmäßig als Absicherungsgeschäfte, etwa zur Absicherung von Kurs-, Währungs- oder Zinsrisiken, und entfalten als solche risikomindernde Wirkung.

Auch Profi-Trader Martin Goersch ist in der onvista-Mahlzeit-Sendung vom 28. Juni detailliert auf das BFH-Urteil eingegangen.

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