Kolumne von Alexander Mayer

Bitcoin unter Druck: Diese Unterstützung muss halten, damit die Rally weitergeht

decentralist.de · Uhr
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Der Krypto-Sektor zeigt derzeit eine Marktstimmung, die so schlecht ist wie seit dem Zusammenbruch der Skandalbörse FTX Ende 2022 nicht mehr. Der Krypto-Fear-and-Greed-Index ist in dieser Woche mit einem Wert von 30 zwischenzeitig zurück in das „Angst“-Territorium gerutscht. Allein am Montag fiel er um 21 Punkte. Es ist einer der größten Tageseinbrüche der vergangenen Jahre.

Der Index hat seit dem 11. Januar 2023 keinen Wert unter 30 erreicht. An diesem Tag lag der Bitcoin-Preis bei 17.200 Dollar, kurz nach dem Zusammenbruch von FTX. Vor einer Woche lag der Indexwert noch bei 74 in der "Gier"-Zone. Der Index berücksichtigt Marktschwankungen, Handelsvolumen, Bitcoins Dominanz und Social-Media-Trends. 

Die Gründe für den Kursdruck

Angst vor gebündelten Verkäufen: Zwei unmittelbare Faktoren für die schlechte Stimmung haben ihren Ursprung in der Angst vor großen Abverkäufen. Sowohl die Krypto-Börse Mt.Gox aus auch die deutsche Regierung sorgen derzeit für ein neues Bitcoin-Angebot in Milliardenhöhe, welches vom Markt absorbiert werden muss.

Die Bundesregierung hat aus Beschlagnahmungen (unter anderem von illegalen Streaming-Plattformen wie MegaUpload) knapp 50.000 Bitcoins unter Verwahrung. Die will sie laut verschiedenen Medienberichten seit der vergangenen Woche in Tranchen auf den Markt werfen.

Der Treuhänder der im Jahr 2014 durch einen Hack pleite gegangenen Krypto-Börse Mt. Gox wird im Juli 2024 mit der Rückzahlung an die Gläubiger beginnen. Hier geht es um über 100.000 Bitcoins. Sie könnten theoretisch von den Besitzern auf den Markt gestoßen werden, da sie seit dem Verlust durch den Börsen-Hack damals um ein Hundertfaches im Gewinn stehen.

Es ist jedoch mehr die Angst vor diesen Verkäufen, die derzeit auf die Marktstimmung drückt, als der tatsächliche Verkaufsdruck. Denn der Markt ist zum einen liquide genug, um die Tranchen der Regierungsverkäufe relativ gut zu absorbieren. Zum anderen ist nicht klar, ob die Mt.Gox-Gläubiger ihre Bitcoin-Bestände wirklich großteilig auf den Markt werfen werden. Bei ihnen handelt es sich schließlich um frühe Bitcoin-Halter, die eine starke Überzeugung für das Asset haben dürften.

Anhaltende Miner-Kapitulation: Ein weiterer, entscheidender Grund für den Kursdruck ist die anhaltende Kapitulation der Bitcoin-Miner. Sie werfen vermehrt ihre Bestände auf den Markt, um das im April stattgefundene Bitcoin-Halving zu kompensieren. Bei dem war die Neuerzeugungsrate von Bitcoin – und damit der Umsatz der Mining-Industrie – halbiert worden. Miner müssen Bestände verkaufen, um die operativen Kosten decken zu können und ihre Mining-Geräte auf den neusten Stand zu bringen.

Seit Juni haben Bitcoin-Miner laut Daten des Krypto-Daten-Anbiertes "IntoTheBlock" etwa 30.000 Bitcoin (umgerechnet zwei Milliarden Dollar) auf den Markt geworfen (siehe unten). Diese Verkäufe markieren die schnellste Verkaufsdynamik der Mining-Industrie seit Jahren und haben die Bitcoin-Bestände der Miner auf den niedrigsten Stand seit 14 Jahren gebracht.

Dies ist ein wiederkehrendes Phänomen nach jedem Halving, da die Branche sich ausdünnt und nur die profitablen Miner mit den effizientesten Geräten und günstigsten Stromkosten am Markt bestehen bleiben. Dieses Rebalancing hat bisher in jedem Krypto-Zyklus nach dem Halving für temporären Preisdruck gesorgt.

Sommerloch + strenge Fed: Im übergeordneten Bild bleibt der Markt in der Schwebe, da die Liquidität als fundamentaler Treiber derzeit keine neuen Impulse liefert. Die letzten US-Inflationsdaten haben positiv überrascht. Allerdings bleibt die US-Notenbank weiterhin auf ihrem straffen geldpolitischen Kurs und hat mit nun nur noch einer implizierten Zinssenkung in diesem Jahr zuletzt für eine Enttäuschung gesorgt. Hinzu kommt die allgemeine Saisonalität, die für geringeres Momentum in der Sommerzeit spricht.

Das sagt der Blick auf die Charts

Das kurzfristige positive Momentum hat sich bereits Mitte des Monats mit dem Verlust des 50-Tage-Trends (orange) und des 100-Tage-Trends (blau) verabschiedet. Der Bitcoinkurs konnte die Mitte des Trendkanals zwischen 60.000 und 70.000 Dollar nicht halten und hat mit der jüngsten Korrektur an das untere Ende des Trendkanals angeklopft.

Der Docht einer Kurskerze ging bereits darunter und der 200-Tage-Trend (schwarz) ist als langfristige Unterstützung in Erscheinung getreten. Der Kurs konnte die runde Marke von 60.000 Dollar vorerst halten. Doch nun tritt der exponentielle 21-Tage-Trend (rot) als Widerstand auf, den es für die Rückeroberung eines positiveren Momentums zu bestätigen gilt.

Quelle: decentralist/Tradingview

Sollte dieser sich jedoch als zu großer Widerstand erweisen, ist ein ernsthafter erneuter Test des 200-Tage-Trends das wahrscheinlichste Szenario. Das stellt einen Alles-oder-Nichts-Moment für die Instandhaltung dieser Rally dar. Denn sowohl der 200-Tage-Trend als auch das aus dem einfachen 20-Wochen-Trend und exponentiellem 21-Wochen-Trend bestehende Unterstützungsband als entscheidende Lebenslinien für die Rally stehen.

Quelle: decentralist/Tradingview

Mit der jüngsten Korrektur ist der Kurs im Wochenchart mit einem Docht bereits deutlich unter das Unterstützungsniveau und bis an den 200-Tage-Trend gerutscht. Er konnte sich jedoch zunächst wieder innerhalb des Bands re-etablieren. Derzeit versucht der Kurs, das untere Ende mit dem exponentiellen 21-Wochen-Trend zu verteidigen.

Sollte der Bitcoin-Kurs diese entscheidenden charttechnischen Unterstützungen nicht verteidigen können, wäre das ein eindeutiges Signal dafür, dass der Kurs in eine längere bärische Phase oder im Zweifel in einen ausgewachsenen Bärenmarkt übergeht. Zunächst würde die Zone zwischen 52.000 Dollar und 48.000 Dollar als Unterstützung in den Fokus rücken.

Ausblick: Wie geht es jetzt weiter?

Was die Stimmung angeht, bleibt dieser Markt für Krypto-Investoren eine echte Herausforderung. Faktoren wie die hohen Zinsen und die Angst vor einer Rezession, sowie die unter der Oberfläche brodelnden Gefahren durch eine mögliche Krise im US-Bankensektor, durch den chinesischen Immobilienmarkt, die japanische Währungskrise, den Gewerbeimmobilien-Sektor oder geopolitische Verwerfungen halten die Stimmung in einem angespannten Zustand. Andererseits bleibt die fundamentale Lage für den Krypto-Sektor vielversprechend. Denn auf makroökonomischer Ebene bewegen wir uns in einen neuen Liquiditätszyklus, der die Kurse von Vermögenswerten im Allgemeinen und Risk-On-Assets im Besonderen weiter nach oben treiben wird. 

Ein Worst Case Szenario könnte sich so ausspielen, dass Bitcoin die derzeitigen Supports nicht halten kann und sich in eine mehrmonatige Korrekturphase bis zum vierten Quartal 2024 begeben wird – mit einem ersten, signifikanten Kursziel im Bereich zwischen 48.000 und 52.000 Dollar. Dies würde in meinen Augen eine starke Kaufgelegenheit signalisieren, da ich davon ausgehe, dass sich im weiteren Verlauf der übergeordnete Liquiditätszyklus wieder durchsetzen und den Bullrun befeuern wird.

Noch ist allerdings das letzte Wort nicht gesprochen, dass wir die derzeitigen Unterstützungsniveaus nicht halten können. Ich sehe Chancen, dass wir den Boden bereits gesehen haben oder dass im Zweifel eine mögliche Korrektur bis in die Zone von 50.000 Dollar sehr schnell wieder aufgefangen wird. Die fundamentale Ausgangslage steht meiner Meinung nach weiterhin zu sehr zugunsten von Krypto, als dass dieser Bullenmarkt wirklich bereits sein endgültiges Ende gefunden haben könnte.

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